Donnerstag, 21. Februar 2008

THINK ØKO












Sind wir nicht froh, wenn wir einen schönen warmen Pullover für 30€ im Angebot kaufen können und sagen zu uns selbst, dass es gut so ist, dass Kleidung so günstig ist. Wir möchten doch gerne öfter mal was Neues...
Wir wollen es gar nicht so recht wissen, wo der Pulli genau herkommt aber ahnen es, dass da in China ein paar tausend Frauen und Kinder 12-14 Stunden täglich dafür schuften und dass das Material in rauhen Mengen zu schlechten Bedingungen aus toten Schafen ausgepresst wurde.

Ich will jetzt nicht langweilen, wenn ich sage, dass ich im Laufe meiner vielen Jahre im Textilgeschäft meinen Blick geschärft habe für das Ungleichgewicht in der textilen Produktionskette. Niemand will Kinderarbeit unterstüzten und Frauen versklaven, Tiere quälen oder die Erde vergiften aber gerne schliesst man die Augen bei dem momentanen Glücksgefühl, ein billiges Schnäppchen gemacht zu haben, das einem gut zu Gesicht steht.
Nun werden ja täglich Skandale aufgedeckt und einige grosse Bekleidungskonzerne müssen sich, um ihr Immage zu retten, anpassen an den öffentlichen Druck, der von Zeit zu Zeit ausgeübt wird. Und siehe da, der Boykott des Konsumenten ist ein Lösungsansatz, der unmittelbare Auswirkungen zeigt. Adidas hat sich immerhin nach dem grossen Skandal vor ein paar Jahren bereit erklärt Verantwortung zu übernehmen und will nachhaltig und kontrolliert produzieren.

In der Lebensmittelindustrie hat es sich z.B. so ausgewirkt, dass die Discounter nun auch "Bio" anbieten. Der Konsument fordert schon bestimmte Qualitäten ein, zwar alles in bescheidenem Ausmass, aber bei jedem Fleischskandal werden wieder Konsumenten zu Vegetariern. Gut, dass wir nicht nachtragend sind und zum Glück schnell vergessen, sonst könnten wir gar nichts mehr essen und trinken.
Also zurück zur Kleidung: "Bio" ist auch hier wieder im Trend! Jede Textil-Messe hat jetzt eine Green Area, nur kennt der Unkundige die genauen Unterschiede nicht zwischen green (kontrolliert biologisch) und der Auszeichnung Øko-Tex- Standard und allem sonstigen Grünen.
Øko-Tex- Standard gibt es seit über 15 Jahren und ist eine Auszeichnung für schadstoffarme Textilien auf dem internationalen Markt. Rund 40 Länder beteiligen sich daran und ca. 6500 Hersteller unterziehen ihre Fabrikate den Kontrollen. Leider wird jeweils nur das fertige Produkt getestet, so dass in den einzelnen Herstellungsstufen keine Kontrolle ausgeübt wird. Fair Traide spielt dabei ebensowenig eine Rolle wie Sweatshop-Produktion.
Den "gemeinen" Konsumenten interessiert auch nicht im Detail, was da genau vor sich geht, und das Motto " was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss" gillt nach wie vor.
Aber unsere Wohlstands- und Wohlfühlgesellschaft verlangt nach einem unbelastenten Gewissen und kann es sich auch leisten. Darum macht sich die Modebranche auf den Weg, ihre Fahnen damit zu schmücken. Auch ein Marketingkonzept, was mehr denn je Wirkung zeigt. Wer "in" sein will muss auch bereit sein für Øko mehr zu zahlen und hebt sich damit von der breiten Masse ab. Das ist schön. Aber noch nicht genug.
Die deutschen Energieversorger werden angehalten demnächst 25 Prozent des Energiemarktes mit nachhaltigen Energien abzudecken. Hier steht die Politik im Hintergrund, die den Co2-Ausstoss im Nacken hat und Deutschland will weltweit vorangehen.
In der Modeindustrie, die ein nicht ganz so grosser Wirtschaftsfaktor ist, aber immerhin ist Deutschland nach den USA der zweitgrösste Textilimporteur, hält sich die Politik im Hintergrund. Es kann noch sehr lange dauern bis der Markt die Produktion korrigiert, wenn man bedenkt, dass Øko schon ein alter Hut ist, ihn aber niemand aufziehen wollte, weil er nach Kuh und Landmief roch. Zum Glück wird alles anders - schaumermal, sagt der Hesse.
Global betrachtet muss die Politik sich auch in die Textilherstellung mehr einmischen meiner Meinung nach. Allein die Importbegrenzungen reichen noch nicht aus. Man kann durchaus Druck ausüben auf Konzerne, soziale Mindeststandards fordern und boykottieren...sonst laufen wir Gefahr uns wieder eine Økoelite heranzuzüchten.
Die Übernahme des Textilmarktes von China ist gewiss! 50% der Weltproduktion kommen demnächst aus China...Die Økowelle braucht aber noch eine Weile, bis sie dort angekommen ist. Da hilft nur Konsumverzicht und den alten Pullover noch ein paar Jahre anziehen, ehe es wieder einen neuen gibt.